Notwendige Assistenz im Krankenhaus für alle Menschen mit Behinderung sicherstellen und Barrierefreiheit in Bremer und Bremerhavener Krankenhäusern verbessern
Krankenhausaufenthalte gehen für Menschen mit Behinderungen, besonders für Menschen mit kognitiven und/oder psychischen Beeinträchtigungen und/oder hohem Grundpflegebedarf häufig mit besonderen Belastungen und Ängsten einher. Zur Belastung durch die Krankheit selbstkommen u.a. Schwierigkeiten hinzu, sich zu orientieren und sich auf das unbekannte Krankenhauspersonal einzustellen. Zudem müssen die im Alltag ohnehin bestehenden Bedarfe auch im Krankenhaus weiter abgedeckt werden. Für Menschen mit Behinderungen ist es daher oft zentral, dass eine vertraute (Assistenz-)Person sie ins Krankenhaus begleiten kann, dass die entsprechenden Eingliederungshilfe- oder Pflegeleistungen weiter finanziert werden und dass die räumliche Barrierefreiheit und Bereitstellung von notwendigen Hilfsmitteln im Krankenhaus sichergestellt sind. Dies ermöglicht oft erst den dortigen Aufenthalt sowie die Durchführung der medizinischen Behandlung und damit das Erreichen des Behandlungsziels. Damit sind es Voraussetzungen, um Menschen mit Behinderungen Gesundheitsleistun-gen derselben Qualität und desselben Standards zu ermöglichen wie Menschen ohne Behinderungen.
In diesem Sinne haben Bundestag und Bundesrat im Sommer 2021 die Finanzierung von Assistenz im Krankenhaus für Menschen mit Behinderung geregelt und in der Konsequenz deutlich ausgeweitet. Von der neuen Regelung profitieren Empfänger:innen von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX. Seit November 2022 haben sie Anspruch auf eine Begleitung, wenn sie während ihres Krankenhausaufenthaltes wegen ihrer Behinderung auf seelische und kommunikative Unterstützung angewiesen sind. Begleiten können enge Angehörige oder andere Nahestehende sowie vertraute Mitarbeitende von Leistungserbrin-gern der Eingliederungshilfe. Die Kostenträgerschaft ist zwischen der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 44b SGB V) und der Eingliederungshilfe (§ 113 Abs. 6 SGB IX) aufgeteilt. Dies ist ein wichtiger erster Schritt, um den speziellen Versorgungsbedarfen während eines Krankenhausaufenthalts adäquat zu begegnen.
Gleichzeitig sind bestimmte Assistenzbedarfe unberücksichtigt geblieben. Darauf haben zum einen bundesweite und bremische Akteur:innen der Behindertenhilfe aufmerksam gemacht. Zum anderen hat der Bundesrat parallel zum Beschluss der Neuregelung weiter bestehende Regelungslücken angemerkt und zeitnah Nachbesserungen gefordert (BR-Drucksache 659/21). Nicht ausreichend berücksichtigt sind vor allem schwerstkörperbehinderte Menschen mit hohen grundpflegerischen Bedarfen. Sie erhalten in ihrem Alltag oft nur wenig oder keine Leistungen der Eingliederungshilfe nach SGB IX, dafür aber hohe Anteile im Bereich Hilfe zur Pflege. Die neuen Regelungen sehen aber keine Kostenübernahme für pflegerische Assistenzleistungen im Krankenhaus vor, obwohl das Krankenhauspersonal auf die Versorgung ihrer spezifischen Pflegebedarfe oft nicht hinreichend eingestellt ist – anders als die individuell angelernten Assistenzkräfte. Dies ist auch deshalb problematisch, weil (die wenigen) Menschen mit Behinderung, die ihre Assistenz im Arbeitgebermodell organisiert haben, pflegerische Assistenzleitungen im Krankenhaus finanziert bekommen. Die Bedarfsgerechtigkeit von Krankenhausleistungen darf aber nicht davon abhängen, wie die Pflege außerhalb des Krankenhauses organisiert wird. Darüber hinaus sollte auch die Assistenz der Eingliederungshilfe im Krankenhaus pflegerische Maßnahmen umfassen können, da Grund- und Behandlungspflege im Alltag auch Teil der Eingliederungshilfeleistungen sein kann. Diese auszuschließen kann gerade für Menschen mit komplexen Pflegebedarfen problematisch sein. Sie benötigen oft ein enges Vertrauensverhältnis zur pflegenden Person. Zuletzt sollten auch Angehörige und Begleitpersonen aus dem engsten persönlichen Umfeld von Menschen mit Behinderung, die keine Eingliederungshilfeleistungen erhalten, einen Anspruch auf Krankengeld gemäß § 44b SGB V haben, da ein vergleichbarer Unterstützungsbedarf bestehen kann. Eine solche Ausweitung würde insbesondere die Versorgung von demenzerkrankten Menschen im Krankenhaus verbessern. Entsprechende Nachbesserungen sind dringend erforderlich.
Aber nicht nur auf Bundesebene, auch im Land Bremen sollte mehr für Menschen mit Behinderung im Krankenhaus getan werden. Im Rahmen der Fortschreibung des Landesaktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist aufgenommen worden, dass die Krankenhäuser im Land Bremen die speziellen Bedarfe von Menschen mit Behinderung im Aufnahmeprozess besser erfassen müssen und dass barrierefreie Räumlichkeiten sowie notwendige Hilfsgeräte vorhanden sein müssen. Darüber hinaus sollen die vorhandenen Konzepte zur Versorgung von Menschen mit Beeinträchtigungen der Krankenhäuser im Land Bre-men an zentraler Stelle veröffentlicht werden. Diese Maßnahmen sind weitere wichtige Elemente, um eine gute und diskriminierungsfreie Versorgung von Menschen mit Behinderung in Bremer Krankenhäusern sicherzustellen.
Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:
Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,
1. sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass zügig eine weitere Gesetzesinitiative zur Assistenz im Krankenhaus auf den Weg gebracht wird, die folgende Punkte umfasst:
a. die Kostenübernahme von Assistenzleistungen im Krankenhaus für notwendige intensiv- und grundpflegerische Bedarfe insbesondere von schwerstbehinderten Menschen, unabhängig davon nach welchem Modell die Pflege im Alltag organisiert wird;
b. eine Ergänzung der Regelung in § 113 Abs. 6 Satz 3 SGB IX um pflegerische Assistenzleistungen, die auch in die Zuständigkeit der Eingliederungshilfe fallen und die für die erfolgsversprechende Krankenhausbehandlung eines Menschen mit Behinderung notwendig sind;
c. Ausweitung des Anspruchs auf Krankengeld gemäß § 44b SBG V auf Angehörige und Begleitpersonen aus dem engsten persönlichen Umfeld von Menschen mit Behinderung, die keine Eingliederungshilfeleistungen erhalten aber ebenfalls Assistenzbedarfe haben;
2. gemeinsam mit den Betreiber:innen der Krankenhäuser darauf hinzuwirken, dass im Vorfeld eines geplanten Krankenhausaufenthalts die spezifischen Bedarfe von Menschen mit Behinderung nach räumlicher Barrierefreiheit und Pflegehilfsmittel, nach Unterstützung in der Kommunikation und nach persönlicher Assistenz standardmäßig erfasst und bei Aufnahme der Patient:innen zur Verfügung stehen; in einem ersten Schritt sind dafür die Aufnahmeprozesse aller Krankenhäuser im Land Bremen abzufragen und daraufhin zu überprüfen;
3. zur Verbesserung der Transparenz und Informationsmöglichkeiten die Konzepte der Krankenhäuser im Land Bremen zur Versorgung von Menschen mit kognitiven und körperlichen Beeinträchtigungen auf einer zentralen Website (z. B. bremen.de/barrierefrei) zu veröffentlichen;
4. der Bürgerschaft sechs Monate nach Beschlussfassung über die Umsetzung von Punkt 1 sowie der staatlichen Deputation für Soziales, Jugend und Integration und der staatlichen Deputation für Gesundheit und Verbraucherschutz sechs Monate nach Beschlussfassung über die Umsetzung von Punkt 2 und 3 zu berichten.
Birgitt Pfeiffer, Ute Reimers-Bruns, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Thomas Pörschke, Ilona Osterkamp-Weber, Björn Fecker und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Olaf Zimmer, Nelson Janßen, Sofia Leonidakis und Fraktion DIE LINKE
Sigrid Grönert, Heiko Strohmann und Fraktion der CDU
Dr. Magnus Buhlert, Lencke Wischhusen und Fraktion der FDP